Liebe Tierfreunde, großzügige Spender und fleißige Helfer,
nach 6 Wochen Kastrations-Aktion und 2 Wochen Nacharbeit kommt nun endlich mein Bericht. Zuerst mal die Fakten:
· 645 Tiere kastriert (in 28 Tagen) – davon waren es 480 Hündinnen, 73 Rüden, 72 Katzen, 16 Kater, 4 Kaninchen – natürlich wurden alle diese Tiere auch gegen Parasiten behandelt
· 303 Abtreibungen
· 74 weitere Operationen wie Amputationen, Nabelbrüche, Augenentfernungen u.ä.
· 224 medizinische Behandlungen wie Beinbrüche, Räudebehandlungen, Magenprobleme etc.
· 17 Tiere konnten an neue Besitzer vermittelt werden
· 23 medizinische Scherköpfe zum Rasieren verbraucht – danke an die Firma Wahl GmbH für diese großzügige Spende
· 112 Waschmaschinenladungen mit Handtüchern, OP-Hemden usw.
· 2.078 gefahrene Kilometer#
· 1 umgefallener Strommast, der unser Auto demoliert hat
· 13 Tage tropischer, sintflutartiger Dauerregen – was die Hundesuche und das Arbeiten deutlich erschwert und uns sehr deprimiert hat
· 4 Unfälle mit Personenschäden pro Woche in Las Terrenas, verursacht durch Hunde (vor der Kastrations-Aktion) – nach der Aktion: KEIN Unfall mehr!
· 21.121,66 € Kosten insgesamt
· 6.114,73 € eingegangene Spenden
Grund zum Jubeln gab es beim Abschiedsfest mit einigen der fleißigen Helfer auf unserem “Klinik-Gelände” in Las Terrenas – danach ging es für einen Tag nach La Yagua, wo wir noch weitere Tiere kastriert haben.
Eine so erfolgreiche Aktion schaffen nicht viele Organisationen – schon gar nicht ein so winziger Verein, wie wir einer sind – das war auch die Meinung der Tierärzte vom Tierärztepool. Und die haben immerhin über 10 Jahre Erfahrung auf diesem Gebiet!!! Für die lang anhaltenden Erfolge, die wir damit erzielt haben, sind die Kosten der Kastrationen eigentlich sehr gering, wenn man als Vergleich die Unterhaltskosten für ein Tierheim nimmt – und ist es nicht viel schöner wenn die Tiere, wie hier, in Freiheit leben können, statt ihr Dasein hinter Gittern fristen zu müssen?
So weit die Fakten und nüchternen Zahlen – unsere tagtägliche Arbeit (meist ein 17-Stunden-Tag), die ganzen positiven wie auch vereinzelt negativen Erfahrungen und all die Emotionen zu beschreiben, wird weitaus schwieriger (und sehr lang)… Bitte nehmt Euch trotzdem die Zeit, diesen Bericht bis zum Schluss zu lesen.
Oft haben wir in den vergangenen sechs Jahren gedacht, wir würden gegen Windmühlen kämpfen – wie oft haben wir den Dominikanern versucht zu vermitteln, wie sie ihr Tier artgerecht und liebevoll halten sollen, und wie oft hatten wir das Gefühl, unsere Ratschläge prallen ungehört an ihnen ab…
Doch die Aktion hat uns gezeigt, wie viel sich doch in diesen Jahren schon verändert hat. Nicht nur, dass die Dominikaner sehr zahlreich ihre Tiere in unsere Klinik gebracht haben, wenn ich jetzt durch Las Terrenas fahre, werde ich immer wieder gefragt wann die nächsten Kastrationen stattfinden – oder die Leute bedanken sich und zeigen mir stolz ihre kastrierten Hündinnen, die nun um so vieles besser aussehen.
Suriel mit Billy und seinen anderen Hunden
Suriel ist ein relativ reicher Dominikaner. Vor Jahren rief er mich eines Tages zu sich, weil seine Hunde (von Schäferhund bis Zwerg-Pinscher) krank waren. Als ich die Haltung der Hunde sah, wurde ich fuchsteufelswild… Alle Hunde waren in völlig verdreckten Drahtkäfigen oder winzigen Zwingern eingesperrt, ohne Wasser, und sie waren in einem erbärmlichen Zustand.
Daraufhin habe ich Suriel die Freundschaft gekündigt und ihm gesagt, wenn er diesen Zustand nicht ändert, bräuchte er nie mehr zu mir kommen, wenn es um seine Tiere geht. Suriel kam dann, während unserer Aktion, mit seinem Schäferhund Billy in unsere Klinik. Billy hatte einen schweren Leistenbruch und wäre ohne Operation wenige Tage später wahrscheinlich gestorben. Da Billy recht alt war und auch sein Herz nicht im besten Zustand, barg die OP ein hohes Risiko. Suriel wollte dieses Risiko für seinen Hund aber unbedingt eingehen, und so wurde Billy von Ines operiert (und auch gleich kastriert).
Als wir am nächsten Tag gemeinsam zu Suriels Haus fuhren, traute ich meinen Augen kaum – die Zwinger und Käfige waren verschwunden, alle Hunde liefen frei umher und sahen gepflegt aus. Billy hatte ein Bett (samt Kopfkissen!!!) bekommen, auf dem er sich nach der OP erholen konnte, Suriel ging sehr liebevoll mit seinen Hunden um, und es gab Wasser- und Futterschüsseln. Diese 180-Grad-Wendung ist mir sehr ans Herz gegangen – zeigte sie doch, dass all unsere Bemühungen über die ganzen Jahre nicht umsonst waren und sich wirklich etwas zum Wohl der Tiere verändert hat.
Humpi
Unsere französische Freundin Tamalu war während der Aktion emsig unterwegs, um Hunde in die Klinik zu bringen. So kam sie eines Tages auch mit einer kleinen jungen Straßenhündin an, die kastriert wurde und die Tamalu anschließend wieder zurückbrachte. Zehn Tage später, bei strömenden Regen, kamen zwei dominikanische Motoconcho-Fahrer (Moped-Taxis) in die Klinik – die kleine Hündin wurde von einem großen Jeep angefahren und einfach auf der Straße liegen gelassen.
Der eine Motoconcho sah dies, riss sein T-Shirt entzwei, um einen behelfsmäßigen Verband zu schaffen, schnappte sich einen Kollegen und brachte uns den Hund. Seine Worte: “Die Kleine hat doch eine Ohrmarke, also habt ihr sie schon kastriert – rettet ihr bitte nochmals ihr kleines Leben!” zeigen, dass die Bevölkerung unsere Arbeit verstanden hat. Und mal ehrlich, wer reißt schon sein T-Shirt entzwei, um einem Straßenhund zu helfen – dass lässt mir noch immer die Tränen in die Augen steigen…
Humpi wird seitdem bei uns gesund gepflegt, und auch für sie haben wir ein neues Zuhause gefunden, in das wir sie in ein paar Tagen entlassen können.
Flusshund Salomon
Salomon kennt Ihr ja schon aus meinem ersten Rundschreiben. Er hatte sehr schlimme Räude und wurde erfolgreich von uns behandelt. Leider verschlechterte sich seine Haut wieder, während wir in Deutschland waren und in der Vorbereitungsphase für die Aktion nicht dazu kamen, ihn weiter zu pflegen. Zusätzlich gab es oft Beißereien mit den anderen Rüden vom Fluss. So wurden er und ein anderer Rüde kastriert und wieder gegen die Räude behandelt. Irgendwie besteht zwischen Salomon und mir eine große Zuneigung, und wenn ich ihn jetzt einmal wöchentlich medizinisch versorge, wird geschmust, was das Zeug hält…
Seine Besitzer sind nun so stolz auf ihn, erstens weil die “Gringa” (also ich) ihren Hund so toll findet und zweitens, weil er mit dem neuen Fell so schön geworden ist. Dieser Stolz ist die beste Versicherung für einen Hund, denn so wird er gut gefüttert und ist davor bewahrt, ausgesetzt oder geschlagen zu werden.
Die Hunde und Katzen von Agua Sabrosa
Für einen Tag kamen wir mit Krankenwagen und OP-Zelt in das Dörfchen Agua Sabrosa. Eine Freundin hatte uns erzählt, dass sich die Dominikaner dort sehr freuen würden, wenn wir zum Kastrieren kommen könnten, da dort niemand die Möglichkeit hätte, die Tiere bis nach Las Terrenas zu bringen. Und in der Tat – viele brachten ihre Hunde und Katzen zu dem vereinbarten Treffpunkt, als “Leinen” wurde vom Strick bis hin zum Handyladekabel alles verwendet.
Nach anfänglichem Chaos verstanden die Menschen sehr schnell, je ruhiger sie warten, umso mehr Tiere können wir an diesem Tag kastrieren. So arbeitet Ines und Nina am OP-Tisch im Akkord, und wir konnten an diesem Tag 44 Tiere kastrieren – der letzte OP-Schnitt wurde von Nina im Taschenlampenlicht genäht…
Uns allen hat dieser Tag besonders gefallen, denn die Leute haben sich sehr bemüht, mit uns zusammen zu arbeiten, sind den Anweisungen gefolgt, haben für uns ein leckeres Mittagessen gekocht und waren sehr dankbar…
Flaco I und Flaco II
Manchmal kommen dann auch Tage, an denen man völlig verzweifelt. Tamalu brachte uns zwei Rüden, die von ihren jeweiligen Besitzern an der Kette gehalten wurden – ohne Futter und Wasser. Ein paar Tage länger, und diese armen Geschöpfe wären einen qualvollen Hungertod gestorben.
Beide wurden stündlich und mit kleinen Portionen wieder an Nahrung gewöhnt. Sie zu füttern war eine Sache, aber wie sollte man es verantworten sie den Besitzern zurück zu geben bzw. sie einfach auf die Straße auszusetzen? So mussten wir neue und liebevolle Zuhause für die beiden finden, was uns auch erfolgreich gelungen ist. Beiden geht es jetzt wunderbar und von “flaco” (dünn) kann nicht mehr die Rede sein.
Der Beinbruchrüde vom Fluss
Beim Einsammeln diverser Flusshunde wurde ich von einer Frau angesprochen, die mich bat, ihren Rüden zu begutachten. Er wurde vor 6 Monaten angefahren, und sie war mit ihm beim hiesigen “Tierarzt”. Nach einer für sie fast unerschwinglichen Operation (sie musste das Geld in Raten abbezahlen), befand sie den Zustand ihres Hundes aber keineswegs als gut.
Dies war auch nicht verwunderlich, denn anstatt den unkomplizierten Bruch einfach mit einem fixierenden Verband für einige Zeit ruhig zu stellen, wurde eine 12 cm lange Metallschiene eingesetzt und Draht durch den Knochen gebohrt, denn daran kann man schließlich mehr Geld verdienen… Da diese OP aber so schlecht durchgeführt war, hatte sich der Knochen entzündet, die Schiene ragte aus dem offenen Bein heraus, der Bruch war natürlich nicht verheilt, und der arme Hund litt höllische Schmerzen…
Mit dieser offenen Beinwunde, aus der die Metallschiene heraus ragt, brachte ich den armen Kerl in die Klinik. Geduldig lässt er den regelmäßigen Verbandswechsel über sich ergehen – Thomas erzählt ihm gerade, dass alles wieder gut wird…
Nachdem Ines die Metallschiene entfernt hatte, war sie sich trotz allem nicht sicher, ob das Bein zu retten sei. Alle zwei Tage holten wir den Patienten ab, brachten ihn in die Klinik, um ihn medizinisch zu versorgen und den Verband zu wechseln. Jetzt, sechs Wochen später geht es ihm prima und er fängt an, sein Bein, welches er so lange nicht mehr gebrauchen konnte, wieder zu belasten und auf allen Vieren zu laufen.
Zusätzlich ist auch er uns ein guter Freund geworden und neulich spielte er mit Salomon gemeinsam am Flussufer…
Finchen
Thomas fand auf der Straße eine kleine Hündin die nicht nur kastriert werden musste, sondern die auch einen Beinbruch hatte und zusätzlich noch eine völlig verschobene Hüfte – beides bestimmt durch einen Unfall verursacht, der leider schon etwas länger her war.
So konnten wir nichts anderes machen, als das Hinterbein ruhig zu stellen und zu hoffen, dass der Bruch noch heilt. Da auch bei ihr der Verband öfters gewechselt werden musste, blieb sie vorerst bei uns. Und da ist sie noch…
Sie wird wahrscheinlich nie mehr richtig laufen können und für immer “schief” bleiben – aber wir lieben dieses kleine Monster auch so…
Jeder von uns könnte Euch noch so viele Geschichten erzählen, Buschi die vom Krebstumor-Hund, Ines vom Warzenschwein-Hund und der Gebärmuttervereiterungs-Katze, Thomas vom Nabelbruch-Blind-Kater und der Sticker-Tumor-Hündin, Roman von den Rottweiler-Geschwistern und der Steff-Hündin, Nina von der kleinen verhungerten Luna und dem Macheten-Hieb-Rüden, Sigi von seinen Erfahrungen beim Hundezählen, Tamalu wie sie den Leuten mit der Polizei drohte, wenn sie ihre Hündinnen nicht kastrieren lassen wollten, Katrin und Bob vom mit Benzin überschütteten Snoopy und der aufsässigen Yoda, Sabine vom Kampf der vergifteten Flacetita, Marina von Mascha, die im Regen nicht pinkeln wollte usw.
Wir alle sind während dieser Zeit weit über unsere persönlichen Grenzen hinausgegangen, haben Tränen vergossen, uns schon mal gestritten, uns schnell wieder vertragen, uns gemeinsam gefreut wenn wir helfen konnten und uns immer wieder gewundert, wie geduldig, lieb, lustig und intelligent all die vielen Tiere waren, die wir behandelt haben. Am Ende waren wir uns alle darüber einig, dass diese Aktion mehr als gelungen war – diese Aktion hat das Leben von sehr vielen Tieren aber auch von vielen Menschen nachhaltig verbessert, wir haben unzählige Leben retten können und haben gemeinsam mit allen Helfern, egal welcher Nation, für die gute Sache gekämpft.
Mich persönlich hat das alles sehr sehr glücklich gemacht, denn wenn man seine eigenen Probleme (oder was man dafür hält) zurückstellt und anderen hilft, bekommt man so viel zurück, und das ist ein wunderbares Gefühl…
Ich danke allen, die daran beteiligt waren von ganzem Herzen – Ihr habt einen Traum wahr werden lassen, den Traum von glücklichen und gesunden Tieren – und dass sich in den Köpfen der Menschen hier etwas zum Positiven verändert hat.
Gerne würden wir weiter arbeiten, denn es gibt weiterhin viel zu tun und noch hunderte von Dörfern mit Tieren, die unsere Hilfe brauchen. Doch haben wir leider nicht noch einmal die Möglichkeit, 15.000,- Euro von unserem eigenen Geld (was eigentlich zum Hausbau bestimmt war) zu investieren. Mit Eurer finanziellen Unterstützung könnten wir noch in diesem Jahr eine weitere Kastrations-Aktion mit den Tierärzten vom Tierärztepool starten. Unser Hauptsponsor Condor hat schon zugesagt, uns weiterhin mit günstigen Flügen und dem Transport des ganzen OP-Materials zu helfen